Wer heute durch die Straßen Sofias (auch Sofija geschrieben) mit ihren 1,4 Mio. Ew. schlendert, wird von ihrer bewegten Geschichte jedoch nur noch vereinzelte Spuren ausfindig machen: An zentralen Orten tauchen Relikte aus der römischen Zeit auf, etwa in der Unterführung Serdikaunter der einstigen Zentrale der Kommunistischen Partei, in der Überreste von der östlichen Festungsmauer aus dem 2. Jh. zu sehen sind, oder im Hof des Hotels Sheraton, in dem sich die Rotunde des heiligen Georg aus dem 4. Jh. versteckt. Auch in den wichtigsten großen Museen dokumentieren zahlreiche Exponate die Geschichte der Stadt, die im wechselvollen Auf und Ab große Zeiten erlebt hat. Das Stadtbild hingegen hinterlässt den Eindruck eines eigentümlichen, der Geschichte gegenüber irgendwie indifferenten Gemischs aus 100 Jahren, aus dem die wenigen historischen Prachtbauten und einige schöne Beispiele der bulgarischen Architektur aus der Zeit um die letzte Jahrhundertwende wie bunte Tupfer hervorscheinen.
Heute ist Sofia das absolute Zentrum Bulgariens, und in einem traditionell so zentralisiert strukturierten Land betrifft dies weit mehr als nur den Regierungs- und Verwaltungsbereich. Obwohl die Nichtsofioter die Nase rümpfen, wenn sie es hören: Vieles von dem, was in der Kultur Rang und Namen hat, konzentriert sich hier – die bedeutendsten Museen, die repräsentativsten und zugleich experimentierfreudigsten Galerien, die renommiertesten Theater, herausragende Stimmen und Orchester. Auch in prosaischeren Dingen übernimmt meist Sofia die Rolle des Trendsetters. Wer wissen will, was gerade in der bulgarischen Jugendszene an Lebensstil und Alltagskultur in ist, der sollte sich am frühen Freitag- oder Samstagabend zum Bulevard Vitosha und in bestimmte Teile des Parks vor dem Kulturpalast begeben.